Vor 45 Jahren
wollte eine Familie mit zwei behinderten Söhnen nach Lourdes reisen. Damals war
jedoch keine Gruppe bereit, die Pilger mitzunehmen. Die Eltern Thadee und Loice
entschieden, sich allein auf den Weg zu machen. Leider hatten sie wenig Glück,
ein Hotel zu finden. Schließlich fanden sie eine Unterkunft, mussten dort aber
in ihrem Zimmer essen und durften nicht nach unten in den Speisesaal kommen, um
die anderen Gäste nicht zu stören. Die Familie musste sich auf ihrer ganzen
Reise Kommentare anhören, dass sie sich
die Pilgerfahrt hätte sparen können, denn den behinderten Jungen würde es
sowieso nichts nutzen, in Lourdes zu sein. Bei der ganzen Reise handle es sich nur
um herausgeschmissenes Geld.
Als Marie-Helene
Mathieu, die schon damals vor 45 Jahren Sonderschullehrerin war, von der
Geschichte hörte, war sie empört. Sie kontaktierte Jean Vanier, den Mann, der
dazu beigetragen hatte, die L’Arche, einen Verband für Behinderte, zu gründen.
Die Familie, die
in Lourdes Trost, Hilfe und zumindest geistige Heilung suchte, stattdessen aber
abgewiesen wurde, war der Beginn der Glaube- und Licht- (Faith and Light) Bewegung.
Heute existieren 1.500 Gemeinschaften in über 80 Ländern. Die Organisation lebt
nach dem Motto der Seligpreisungen: Was
ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan.
Heute werden die
intellektuellen wie auch physischen Bedürfnisse behinderter Menschen eindeutig
besser gehandhabt; dennoch erwarten diese Menschen eine Freundschaft, die über die
Grundbedürfnisse hinausgeht.
„Behinderte
müssen das Gefühl bekommen, selber etwas für die Gesellschaft beizutragen, nur
dann fühlen sie sich als volle Menschen. Sie sollen nicht nur empfangen,
sondern auch geben, denn das ist es, was sie glücklich macht“, erklären
Marie-Helene Mathieu und Jean Vanier.
Faith und Light
konzentriert sich deshalb auf drei Hauptpunkte:
1) Behinderte
sollen erkennen, dass sie von Gott besonders geliebt werden. Auch sie können
den Grad der Heiligkeit erreichen.
2) Eltern von Behinderten dürfen nicht
alleine gelassen werden. Wir sollten ihnen helfen, den Sinn und die oft nicht
beachtete, verborgene Schönheit im Leid zu sehen.
3) Die Lehre der Kirche sollte
vorgelebt werden, welche jeden Menschen seine Würde zugesteht, auch wenn er
geistige oder physische Behinderungen hat.
Marie-Helene
Mathieu ist froh, dass vor 45 Jahren in Lourdes die Idee für Faith und Light aufgrund der
Diskriminierung einer behinderten Familie entstand. Wir leben in einer Zeit, wo
das Leben kompromittiert wird. Mathieu ist besonders besorgt, dass in Amerika
und Europa 90% der Kinder mit Down Syndrom abgetrieben werden (siehe auch:
Reproduktive Freiheit, free for what?).
„Wir alle bilden
den Körper Jesus Christus. Und doch werden Leute mit Trisomie-21 als weniger
wertvoll angesehen. Im Grunde sind jedoch gerade die schwachen Glieder am
Unentbehrlichsten. Es gehört zu dem besonderen Charisma der Behinderten, das
Herz ihrer Mitmenschen zu erreichen und aufzuschließen. Behinderte, die wegen
ihres Gebrechens von der Gesellschaft zurückgewiesen werden und deren Leben als
nutzlos angesehen wird, sind in Wirklichkeit ein Geschenk Gottes. Sie sind die
Ärmsten der Armen, die Sanft- und Demütigen.
Durch ihre Bedürftigkeit
geben sie uns, die wir in einer hektischen Welt leben, die Chance, sich um sie
kümmern zu dürfen. Die menschliche Familie kann nur Frieden finden, wenn wir
uns den Armen und Schwachen zuwenden und sie aufrichten. Die Kirche muss dafür
sorgen, dass Behinderte nicht doppelt leiden. Einmal, weil sie anders sind als
wir und zweitens, weil sie die Gesellschaft zurückweist. Die Mitglieder der Bewegung Faith and Light kommen
jeden Monat zusammen, um das Leben selber zu feiern. Sie beten, spielen und
essen gemeinsam. Durch so einfache Dinge können sie das Leben verändern. Die
Organisation pilgert jedes Jahr zu einem Wallfahrtsort und alle 10 Jahre noch
Lourdes. Dort wo alles angefangen hat. Sie wollen der Gottesmutter danken(1).
Auch die Familie Prendergast
aus Elkhorn in Wisconsin, USA, weiß von den Vorurteilen, die anders aussehende Menschen
hervorrufen. Sie hatte vor Jahren 2 Mädchen aus China adoptiert. Die Kinder
wurden zurückgewiesen und waren die Letzten auf der Adoptionsliste. Keiner
wollte sie. Der Grund: sie hatten beide eine Deformation ihres Gesichtes. Eine
Nase war nicht vorhanden und die Augen standen weit auseinander. Sie hatten
einen Geburtsdefekt, auch Meningoencephalocele genannt.
Wegen der Einkind-Politik
in China, in der vor allem Jungen erwünscht sind, haben behinderte Mädchen
keine Chance.
Als die eigenen Kinder
der Familie Prendergast das Teenageralter erreicht hatten, drängte es die
Eltern, Kinder aus China zu adoptieren.
Zwischen 1999 und
2013 wurden in China 71.632 Kinder adoptiert. Viele von ihnen waren Mädchen,
jünger als zwei Jahre. Die Prendergast wollten ein älteres Kind. Mutter Kimberly entdeckte das Foto von Molly, legte es
aber zur Seite. Sie dachte, sie könnten so ein Kind nicht haben. Es sei zu
schwierig, sich ihrer anzunehmen. „Beinahe hätte ich das Licht meines Lebens
nie kennengelernt. Ein Leben ohne meine Adoptivtöchter kann ich mir nicht mehr
vorstellen“, sagt Kimberly. Die Töchter wurden operiert, jetzt haben sie ein
Gesicht. Jetzt ist Molly 13, sie ist ein gescheites junges Mädchen. Die Familie
will noch zwei Söhne aus China adoptieren. Billy und seinen Freund Allan. Beide
haben Hasenscharten und auch sie wollte keiner. Im September wollen die Eltern
nach China fliegen, um ihre neuen Söhne abzuholen (2).
Ist ein Leben
eines Behinderten wirklich so nutzlos?
Immer öfter hören
wir von Kindern mit Down-Syndrom, die uns zutiefst berühren. Am 9.9.2015 konnte
man in vielen Zeitungen der USA über Connie-Rose lesen. Die 2-Jährige mit
Down-Syndrome bekam einen Vertrag als Model, weil ihre Bilder um die Welt
gingen und die Herzen vieler begeisterte(3).
In Amerika ist
die kleine Audrey Santo vielen ein Begriff. Sie fiel am 9. August 1987 als Dreijährige
in das Schwimmbad der Familie. Danach konnte sie sich nicht mehr bewegen oder
sprechen. Die Mutter wandelte das Zimmer ihrer Tochter in eine Wallfahrtsstätte
um. Und tatsächlich kamen immer mehr Menschen, die behaupteten, durch ihren
Besuch bei Audrey geheilt worden zu sein. Es waren so viele, dass man das behinderte
Kind in ein Stadium bringen musste. Kritiker behaupten, die Mutter hätte das
alles nur in ihre Tochter hineininterpretiert, um dem Leben ihres Kindes einen
Wert, einen Sinn zu geben. Wie dem auch sei. Audrey ist mittlerweile gestorben.
Einige streben ihre Seligsprechung an. Erstaunlich ist, dass ein behindertes
Mädchen Massen anzieht, die durch sie Hilfe erfahren (4).
Literatur:
1) Antonetti S.: Marie-Helene
Mathieu: A life devoted to the intellectually disabled. Aleteia, 8.
September 2015
2) Idzera
C.W.I.: Elkhorn family adopts children with facial differences. Wisconsin State
Journal, 29. August 2015
3) Ledebetter
C.: Connie-Rose, Toddler Model with Down Syndrome, Wins Hearts Everywhere.
Huffpost, 09.09.2015
4) Little Audrey
Santo Foundation. http://www.littleaudreysantofoundation.org/
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