Dr. Edith Breburda
Nicht zufällig erklärte das Oxford Wörterbuch post-truth zum Schlagwort von 2016. Wir
leben in einem Zeitalter der Post-Truth-Wissenschaft. Damit will man sagen,
dass Werte wie Ehrlichkeit, Wahrheit und Seriosität nicht mehr viel mit
Forschung zu tun haben.
Doch nicht nur auf diesem Gebiet wurden moralischen
Aspekte über Bord geworfen. Viele waren entsetzt, als der US-Senat die Anhörung
über den zum Bundesrichter vorgeschlagenen Brett Kavanaugh durchführte. Bisher
galt man so lange als unschuldig, bis das Gegenteil erwiesen wurde.
Supreme Court, Washington, 10/2/2018 |
Doch Ende September 2018 scheint dies keine Rolle mehr zu
spielen. Im Gegenteil, der Kandidat galt als schuldig und sollte seine Unschuld
beweisen. Man verlangte von ihm, das zu tun, was eigentlich die Aufgabe des
Anklägers war.
Amerikaner fragten sich insofern, ob sie im September
ihre Verfassung verloren haben und ob nun eine bloße Anschuldigung reicht, um
hochgebildete Experten und ihr Familie zu denunzieren. Selbst der Präsident
vermerkte dazu: <Es ist eine beängstigende Zeit für junge Männer in Amerika.
Man kann angeklagt werden, bevor man seine Unschuld bewiesen konnte (1).>
Viele Amerikaner waren sehr entrüstet darüber, dass
der Vorwurf einer sexuellen Nötigung als Waffe missbraucht wurde. Man fällte
bereits ein Urteil vor dem Prozess und ruiniert die ganze Karriere und das Ansehen
eines bisher unbescholtenen Juristen.
Am Ende interessieren nur noch Emotionen und nicht
der Befund der herbeigerufenen Staatsanwältin Mitchell, die erklärte, dass sie
die Vorwürfe der Anklägerin für nicht als hinreichend belastbar hält, um sie
weiter zu verfolgen.
Der nominierte Richter Kavanaugh ist konservativ
und würde damit einer Mehrheit im Obersten Gerichtshof in Schlüsselfragen wie
Abtreibung oder Todesstrafe für die nächsten Jahre die entscheidende Rolle
spielen. Fachlich ist er bestens für die Stelle geeignet.
Doch seine Pro-life-Anschauung ist jenen, die seine
Ansichten nicht teilen, ein Dorn im Auge. Deshalb versuchten Aktivisten,
Kavanaughs Benennung mit einer Schmutzkampagne zu stoppen.
Man vergisst allzuleicht, dass ein Richter nicht
nach seinen eigenen Ansichten handeln darf, sondern das zu tun hat, was die
Verfassung verlangt -und bisher konnte niemand als schuldig angesehen werden,
ohne dass ein eindeutiger Beweis vorliegt. Das, was man dem Kandidaten
vorwirft, ist außerdem kein Fahndungswürdiges Verbrechen, das erfordern würde,
dass die US-Bundespolizei FBI ermittelt.
Ganz zu schweigen davon, dass der Beschuldigte damals
noch nicht volljährig war. Eine Untersuchung des FBI ist auch nicht dazu da,
ein Urteil zu fällen. Das muss letztendlich der Senat tun und sollte dazu
normalerweise nicht allzu lange benötigen. Langwierige Prozesse hinsichtlich
des vom Präsidenten gewünschten Kandidaten gibt es erst, seitdem Präsident
Trump das Land regiert.
Viele missbrauchten die geplante Ernennung zum
Obersten Richter auf Lebenszeit als ein Politikum. Doch wenn Senatoren aus
konservativen Staaten weiterhin den Nominierungsprozess hinauszögern, könnte
ihnen das schaden bei den anstehenden Midterm
Elections, die im November 2018 das Repräsentantenhaus und ein Drittel der
Senatoren wählen.
Capitol Washington October 2018 |
Zudem werden nachweisliche sexuelle Verfehlungen,
die einen Demokraten aus dem Bundestaat Minnesota betreffen, und die keine 36
Jahre zurückliegen, unter den Teppich gekehrt. Diese Doppelmoral verärgert
viele Amerikaner. Denn wenn es sich um einen Republikaner handelt, bleiben all
die Zeugnisse der vielen Frauen, die Kavanaughs Versicherung der Unschuld
bestätigen, unberücksichtigt.
Stattdessen macht es Schule, Politiker, die sich
für Kavanaugh aussprechen, notfalls mit Gewalt, einzuschüchtern. Senatoren
erhalten Todesdrohungen und werden auf öffentlichen Plätzen niedergeschrien.
Mittlerweile hat FBI keine Anhaltspunkte, dass die
Anschuldigungen gerechtfertigt sind. Im Gegenteil, die Anklägerin kann keine
Beweise liefern, und die Menschen, die sie am besten kennen wie ihr ehemaliger
Freund, bezeichnen sie als notorische Lügnerin.
Einige Politiker fordern Konsequenzen. In einem
Rechtsstaat sollte es nicht möglich sein, ungestraft in einen Prozess
einzugreifen, ohne auch nur die geringsten Beweise für eine Anschuldigung zu
haben.
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