Dr. med.vet. Edith Breburda
Siehe auch: Zenit, 9. Oktober 2014
Der US-amerikanische Psychologe Seth Pollak von der Universität in Wisconsin/Madison, vermutet, dass Kinder, die sehr früh in ihrem Leben zurückgewiesen oder missbraucht wurden bzw. die in Armut aufwuchsen, als Erwachsene häufiger unter Depressionen, Herzerkrankungen, Ängstlichkeit leiden. Er sieht sogar einen Zusammenhang zu Krebserkrankungen.
Stress kann einige Stellen des Gehirns schrumpfen lassen, und bei Mädchen
eine abnormale Ausschüttung von einigen Hormonen bewirken, erklärt der Experte.
Das sexuelle Verhalten der Mädchen verändert sich:
"Unsere Erziehung beeinflusst unsere Biologie. Dadurch können wir
langfristig soziale Verhaltensprobleme erklären. Es ist eine ganz neuartige
Sicht, die Entwicklung des Kindes zu verstehen. Aus der tierexperimentellen
Forschung wissen wir, wie eine normale Pflege diese Verhaltensdefizite
restaurieren kann. Wir versuchen, eine entsprechende Therapie und Medikamente
anzuwenden, um die Schäden rückgängig zu machen", erläutert Pollak.
Der Forscher untersuchte das sogenannte "Stress-Regulator-Gen" bei 56 Kindern. Ein Drittel der Probanden
wurde physisch missbraucht. Bei ihnen zeigte die Blutprobe eine geringere
Aktivität des Glucocorticoid-Rezeptors, der das Stress-Hormon Cortison reguliert. Zu viel Cortison schwächt das Immunsystem und
erregt den Menschen.
Pollak fand bei 12-jährigen misshandelten Kindern, dass die Hirnregionen,
die für Emotionen (Amygdala) und das Gedächtnis (Hippocampus) verantwortlich
sind, kleiner ausgebildet waren.
Vierjährige Kinder aus armen Familien hatten weniger "Graue Substanz". Dort werden
Informationen verarbeitet und Handlungen geplant.
Acht- bis 11-jährige Mädchen, die misshandelt wurden, schütteten anstatt
Cortison das Liebes-Hormon Oxytocin
aus. Oxytocin konnte ihnen helfen, unbekümmerter mit Fremden umzugehen. Damit
hatten sie weniger Schwierigkeiten Beziehungen einzugehen. Diese Freundschaften
erwiesen sich allerdings als instabil.
Teenagerschwangerschaften treten häufiger bei Kindern auf, die aus armen
Familien kommen. Ihre schulischen Leistungen und ihr späterer Beruf werden
dadurch beeinflusst: "Sie öffnen sich, anstatt sich selbst zu schützen.
Das könnte erklären, warum diese Mädchen später in schwierige Lebensumstände
verwickelt sind", behauptet der Wissenschaftler[i].
Oxytocin gilt heute als eine Substanz, welche das "Belohnungszentrum"
des Gehirns aktiviert. Männer finden wegen des Oxytocins ihre Partnerin
attraktiver, was der Monogamie zugute kommt.
Wissenschaftler der Universität in Bonn weisen darauf hin, dass es im
Tierreich nicht so ist. Hier gibt es die Monogamie äusserst selten. Somit
handelt es sich um eine rein menschliche Angelegenheit, dass Oxytocin dafür
verantwortlich ist, treu zu sein.
Dr. Hurlemann von der Ruhr-Universität in Bochum arbeitete mit der
Universität von Chengdu in China zusammen, um die Wirkung des Monogamie-Hormons
Oxytocin genauer zu testen: 40 heterosexuellen Männern, die sich in einer
permanenten Partnerschaft befinden, zeigten sie Fotos von ihren Frauen. Danach
konnten die Männer Bilder von anderen Frauen sehen.
Nasal applizierte man den Probanden entweder Oxytocin oder ein Placebo. Mit
einem Magnetresonanz-Tomogramm wurde die Gehirnaktivität überprüft. Dirk
Scheele sagte, wenn die Männer Oxytocin erhielten, bewerteten sie ihren eigenen
Partner attraktiver als andere Frauen. Durch Fotos von Mitarbeiterinnen oder
anderen bekannte Frauen ließ sich die Gehirntätigkeit der Männer nicht anregen.
Nur der eigene Ehepartner löste den Reiz im Gehirn aus.
Die Ergebnisse lassen erklären, wie es nach dem Tod des Ehepartners zu
tiefen Depressionen kommen kann. Eine fehlende Oxytocin-Ausschüttung wird als
Grund angesehen.
Man kann - hormonell betrachtet - davon ausgehen, dass Oxytocin der Grund
für eine Monogamie beim Menschen ist. Die klassische evolutionsbiologische
Sicht, wonach männliche Wesen danach drängen, ihre Gene so viel wie möglich
"in Umlauf zu bringen", wurde durch die Hurlemann-Studie beim
Menschen widerlegt.
Monogamie hat auch seine Vorteile, betont Dr. Hurlemann:
"Wenn Oxytocin eine Partnerschaft tiefer zusammenschweißt, wird auch
die Ernährung der Nachkommen sicher gestellt. Männliche und weibliche Gene
werden an Kinder weiter gegeben. Biologisch wird damit auch eine monogame Ehe
der Kinder gefördert", erläutert Hurlemann.
Bei gleichgeschlechtlichen Paaren wurde der Versuch bisher nicht
durchgeführt. Allerdings zeigten andere Studien einen ziemlichen Unterschied,
ja sogar ein gegensätzliches Verhalten einer Oxytocin-Wirkung bei Männern und
Frauen auf.
Die Hormone sind bei den Geschlechtern anders verteilt. Es könnten auch
weniger Oxytocinrezeptoren im männlichen Gehirn vorhanden sein, vermutet
Hurlemann[ii].
Oxytocin steht im Fokus der wissenschaftlichen Tätigkeiten von Paul Zak. Es
handelt sich dabei ja eigentlich um ein uraltes Molekül, das man nur bei
Säugetieren findet. Bei Nagetieren hilft es, den Mutterinstinkt aufrecht zu
erhalten.
Die Etruskerspitzmaus, die von der Nasenspitze bis zum Schwanzansatz nur etwa
40 Millimeter lang ist, lebt monogam. Eigentlich ist sie keine Maus, da Mäuse
Nagetiere sind und damit Vegetarier. Die Spitzmaus frisst Insekten, Würmer,
Maden, Ameisen, Grillen, Spinnen und Heuschrecken. Sie ist mit der Maus so
verwandt wie der Fuchs mit dem Hirsch, sagt der emeritierte Professor Peter
Vogel aus Lausanne.
Bei Rindern sorgt Oxytocin für den Milchfluss. Kälber stossen vor dem
Säugen mit ihrem Kopf in das Euter, um damit die Ausschüttung zu aktivieren. Bei
allen Nutztieren kann Oxytocin verabreicht werden, um eine Geburt einzuleiten.
Oxytocin wird bei der Paarung freigesetzt. Es wird im Gehirn (Nucleus
paraventricularis) in einer Vorform gebildet und über den Hypophysenhinterlappen
abgegeben. Ausser seiner Funktion als Sexualhormon wirkt es auch als
Neurotransmitter im Gehirn. Es fördert prosoziales Verhalten und das Vertrauen
in andere Menschen[iii].
Professor Paul Zak, Gründungsdirektor des Claremont-Universitäts-Zentrums
für Neuroökonomische Studien in Kalifornien, stellte sich die Frage, ob unserer
Moral, auf die sich gläubige aber auch nichtgläubige Menschen beziehen, nicht
doch mit Chemie zu tun hat?
Er wollte beweisen, dass Oxytocin das Moralmolekül ist, welches sich hinter
unserem moralischen Handeln verbirgt. In seinen Versuchen konnte er nachweisen,
wie eine Veränderung der Oxytocingehalte im Blut unser Mitgefühl beeinflusst.
Bei Frauen, die missbraucht wurden, wird die Oxytocin-Sekretion unterdrückt:
"Man muss pfleglich
behandelt werden, damit sich das System richtig entwickeln kann. Viel Stress
hemmt Oxytocin. Wir wissen alle, dass wir unter Stress nicht bestmöglich
handeln können", sagt Zak.
Auch das hauptsächlich männliche Hormon Testosteron hemmt die Oxytocin-
Ausschüttung. Bei einer Hochzeit in England, zu der 200 Leute geladen waren,
fand Paul Zak heraus, dass die Braut den höchsten Oxytocinwert aufwies. Ihr
folgten die Brautmutter, der Vater des Bräutigams und dann erst der Bräutigam.
Der Wissenschaftler ist der Meinung, eine Hochzeit ist ein Ritual, um sich
mit dem neuen Brautpaar emotional zu verbinden. Ein neuvermähltes Paar ist uns
für die Arterhaltung bei der Fortpflanzung wichtig und wir wollen seinen
Erfolg.
Wir kennen unzählige Möglichkeiten, um mit anderen in Verbindung zu treten.
Soziale Medien erleichtern uns dieses Vorhaben. Man twittert, stellt seine
Videos auf Youtube. Mitglied eines sozialen Netzwerkes zu sein führt auch zu
einem Anstieg des Oxytocinwertes.
Am Ende werden unsere Empfindungen belohnt. Wir sind glücklicher, wenn wir
Oxytocin freisetzten, erklärt Paul Zak. Sein Rezept ist, täglich acht
Mitmenschen umarmen. Dann wird man glücklicher werden - und die Welt wird ein
besserer Ort[iv]
Wir alle kennen das Gefühl, wenn es in unserem Bauch kribbelt und die Angst
vor etwas spürbar im Raum steht. Oxytocin kann aber neben leidenschaftlichen
Liebes-Anwandlungen auch emotionalen
Schmerz verursachen, sagen die Wissenschaftler der Northwest-Universität in
Chicago.
Es werden nicht nur unsere sozialen positiven Erinnerungen gestärkt,
sondern auch stressige soziale Situationen graben sich in unser Gedächtnis ein.
Wenn wir später wieder in eine ähnliche Situation kommen, reagieren wir von
vornherein sehr ängstlich. Dies ist eine vollkommen neue Erkenntnis.
Forscher erhofften sich mit Hilfe der Substanz eine Anti-Angst-Droge entwickeln zu können, da man annahm mit ihr
positive Emotionen wecken zu können, wenn man sich in einer stressbezogenen
Situation befindet.
Sich wiederholende Stress-Erlebnisse fördern Angst und Depression: "Basierend
auf jahrelanger Forschung wurde Oxytocin als Stress reduzierende Substanz
betrachtet. Durch die neue Studie konnte gezeigt werden, dass durch Oxytocin Angst
eher gefördert wird", erläutert der Studienleiter Yomarya Guzman.
Auszug aus dem demnächst erscheinenden Buch:
Reproduktive Freiheit, free for what?
von Edith Breburda
[i] Wahlberg D.: Childhood stress
can reconfigure biology, UW-Madison research says. Wisconsin State Journal. 24.
7. 2014
[iv] Zak P.: Vertrauen, Moral-und
Oxytocin. Technology, Entertainment and Design, http://www.ted.com/talks/paul_zak_trust_morality_and_oxy
tocin/ transcript?language=de, Nov. 2011
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