Dr. Edith Breburda
sieh auch Zenit 3. April 2015
In Großbritannien können Paare ab Oktober 2015 ganz offiziell In-Vitro-Fertilisationen mit drei Spendern durchführen. Bereits am 3. Februar 2015 hatte das britische Unterhaus eine entsprechende Gesetzänderung vorbereitet. Genetisch modifizierte Embryos durften bisher nicht implantiert werden. Doch am 24. Februar entschied sich das Oberhaus, der Implantation genetisch modifizierter Embryos, nach einer langjährigen Debatte, stattzugeben.
Viele Frauen, deren Eizell-Mitochondrien defekt sind, hoffen darauf, gesunde Kinder haben zu können. Zudem können sie sicher sein, die Erkrankung nicht an ihre Nachkommen weiterzuvererben.
Robert Meadowcroft, Geschäftsführer von Muscular
Dystrophy UK, einer britischen Wohltätigkeitsorganisation, bemerkt dazu: "Wir
geben Frauen die wertvolle Chance, Erkrankungen aus den Familienstammbaum zu
tilgen und die Zahl derer zu reduzieren, die mit den verheerenden Folgen der
Erkrankung konfrontiert sind."
Gegner dieser Innovation sehen in der Technik
eine Form der Eugenik. Sie reden von Designer-Babys und unkontrollierbaren Konsequenzen.
"Wir öffnen die Büchse der Pandora", warnt die konservative
Abgeordnete des Unterhauses, Fiona Bruce. Der Fertilitätsexperte der
Labour-Partei, Dr. Robert Winterson, verwahrt sich gegen Anschuldigungen, dass
sich Ärzte in die Natur einmischen. <<Wir versuchen nicht, Gott zu
ersetzten, sondern wir versuchen, sein Werk zu verbessern>>.
Die Mitochondrien, die außerhalb des Zellkerns
im Zytoplasma oder Zellleib liegen,
werden nur von der Mutter vererbt, weil bei der Befruchtung nur der Kern der
Samenzelle mit der Eizelle verschmilzt. So wird eine Dysfunktion der Mitochondrien,
welche auf Mutationen der Mitochondrialen DNA (mtDNA) beruhen, ausschließlich
durch die Mutter vererbt.
Bisher konnten kranke Mütter nur Kinder
bekommen, wenn sie ein Kind adoptierten oder eine Spender-Eizelle
künstlich befruchtet wurde. Andere
Möglichkeit bestanden in der Präimplantationsdiagnostik, der Chorionzottenbiopsie,
einer Diagnostik von Chromosomenstoerungen, bzw. der Amniozentese, einer Fruchtwasseruntersuchung
, wobei bei einem kranken Kind eine Abtreibung empfohlen wird.
Die britische Behörde für menschliche
Befruchtung und Embryologie hatte 2014 ein Expertengremium einberufen, um die
Sicherheit der verschiedenen Methoden des Mitochondrienaustausches zu
untersuchen. Die besten Erfolge wurden mit
dem Maternal Spindle Transfer (MST) und dem Pronuklear Transfer (PNT) erzielt. Das
Expertenteam ist der Ansicht, dass ohne die Verfahren eine kranke Mutter die
Mutationen der Mitochondrialen DNA an
ihre Kinder weitervererben würde, und sich dadurch eine tödliche Erkrankung entwickeln könnte.
Um dem Eingriff mehr Sicherheit zu verleihen,
sollte die Spender-Mutter der biologischen Mutter so ähnlich wie möglich sein.
Wie findet der Mitochondrienaustausch statt?
Beim MST repariert man zuerst die Eizelle. Vereinfacht gesagt wird der haploide Zellkern,
das heißt, die Spindel mitsamt den assoziierten Chromosomen aus der
mütterlichen Eizelle entnommen und in eine zuvor entkernte Spender-Eizelle, die
in ihrem Zellleib gesunde Mitochondrien hat, transplantiert. Danach
findet die Befruchtung unter dem Mikroskop satt. Man injiziert eine Spermie
direkt in die Eizelle. Im Fachjargon nennt man das eine intrazytoplasmatische
Spermieninjektion.
Beim PNT findet der Eingriff am bereits
entstandenem Embryo statt. Nach der In-Vitro-Fertilisation wird der diploide
Zellkern entnommen und in eine entkernte Eizelle eingepflanzt. Bei beiden
Verfahren, kann es allerdings dazu kommen, dass beim Transfer der Kerne auch
Mitochondrien der Mutter aus Versehen verschleppt werden.
Die Chromsomale DNA besteht aus etwa 25.000
Genen. Sie ist völlig anders organisiert als die aus 37 Genen bestehende
Mitochondriale DNA, die einen bakteriellen Ursprung hat. Die Mitochondriale DNA
macht nur einen Bruchteil von 0.2 Prozent aller Gene aus. Schätzungen zufolge
hat eines von 200 Neugeborenen eine krankhafte Mutationen in seinen
Mitochondrien. Eine dadurch bedingte Krankheit tritt in 1:5.000 bis 1:10.000
Fällen auf.
Da die Mitochondrien, vereinfacht ausgedrückt,
die Energiequellen des Organismus sind, verursachen sie meist Schädigungen des
Nervensystems, der Muskeln und der Augen. Das Ausmaß und die Schwere einer
Erkrankung hängt vom Anteil der Mutationen im Vergleich zur unmutierten mtDNA
ab. Eine reife Eizelle kann bis zu 100.000 Kopien der mtDNA enthalten. Der
Zufall entscheidet letztendlich, ob eine Krankheit wirklich weitervererbt wird.
Deshalb kann ein Kind einen sehr hohen Anteil an mutierten Genen erhalten, während
seine Mutter nur geringe Mutationen aufweist.
In den USA wurden zwischen 1997 und 2002 einige Kinder, die drei Eltern haben, geboren. Durch einen Zytoplasmatransfer half man
älteren Frauen, die trotz vieler In-Vitro-Fertilisationen kinderlos bleiben, mittels
dieser Technik, doch noch dazu schwanger zu werden.
Gealterten Eizellen injizierte man frisches
Zytoplasma und die darin enthaltenen Mitochondrien aus einer Spender-Eizelle. Mit Hilfe dieser Verjüngungs Methode wurden Kinder "geschaffen". Dann
verbot die Amerikanische Food und Drug Administration, FDA, die Technik aus
Sicherheitsgründen. Großbritannien ist jetzt daran interessiert, was aus diesen
Kindern von damals in Bezug auf ihren Gesundheits- und Entwicklungszustand
geworden ist[i].
Science Magazine hatte am 13. 3. 2015 eine
Warnung von Wissenschaftlern veröffentlicht. Don’t edit embryos, hieß es in dem Artikel.
Forscher sollen unter keinen Umständen weder das Genom von menschlichen
Embryos, noch humane Ei- oder Samenzellen manipulieren.
Es geht um eine Technik, die als CRISPR und
Zink-Finger Nuklease bekannt ist und die es Wissenschaftlern ermöglicht, Gene
auszutauschen bzw. ganz auszulöschen. Heutzutage
kann man sehr elegante, präzise mikrochirurgische Eingriffe in das Erbgut einer
lebenden Zelle vornehmen. In der Molekularbiologie bezeichnet man den Vorgang
als die <<clustered regularly interspaced short palindromic repeats>>, kurz CRISPR-Cas 9. Mit diesem Konstrukt kann
man Nukleinsäurensequenzen aus dem Erbgut herausschneiden. Für 55 Dollars
bekommt man die einschlägige Software, um die Scheren herzustellen, die man benötigt, die gewünschten
Gensequenzen herauszuschneiden.
Was
allerdings die Folgen eines Eingriffes sind, bei dem man Gene aus dem Erbgut
entfernt, weiß man nicht. Wir kennen nicht die Gesetze, die den Organismus
regulieren. Wir wissen nicht welche Gene am Ausbruch einer Krankheit beteiligt
sind[ii].
Die mikrochirurgischen Instrumente ermöglichten
es bisher bessere Tiere zu züchten, um an ihnen die Rolle der einzelnen Gene zu
studieren.
Man will dadurch auch Gen-Mutationen bei Patienten korrigieren. Vor allem Mutationen in Blut-,
Muskel- oder Tumor-Zellen. Wissenschaftler nutzten diese Techniken erst
kürzlich, um einen genetisch modifizierten Affen zu erzeugen. Es gibt Hinweise,
dass man genau das Gleiche mit menschlichen Embryos versuchen will. Die Studie stehen
kurz vor der Veröffentlichung.
<<Das ist unsicher und unethisch.
Vererbbare menschliche genetische Modifikationen sind sehr risikoreich. Ihr
therapeutischer Nutzen ist unbedeutend >>, protestiert Edward Lanphier
und vier andere Wissenschaftler in ihrem Kommentar am 12. März 2015 in dem
Magazin, Nature[iii].
<<Man kann nur dann medizinische Eingriffe
ethisch rechtfertigen, wenn sie bewiesen haben sicher zu sein und wenn keine
Gefahren auf die nachkommenden Generationen ausgehen>>, schreiben einige
Forscher. Sie fordern dazu auf, alle Experimente die es erlauben Gene in
Spermien, Eizellen oder Embryos zu manipulieren, sofort zu stoppen. <<Man
solle erst einmal öffentlich über die wissenschaftlichen und ethischen Folgen
derartiger Experimente diskutieren. Vor allem über den jüngsten Einsatz der
mitochondrialen DNA-Ersatz-Therapie in England>>, betont Lanphier, der
Direktor von Sangamo BioScience in Richmond, Kalifornien. Seine Firma will
Menschen mit Gentherapien behandeln. <<Es gibt einen großen Unterschied ,
ob ich Körperzellen genetisch therapiere oder Keimzellen. Dazwischen liegen
klare ethische Grenzen>>, argumentiert Lanphier.
George
Daley, ein Stammzellforscher des Bostoner Kinder Krankenhauses der Harvard
Medical School stimmt überein.
<< Eine öffentliche Diskussion ist
wichtig. Selbst Wissenschaftler sind sich darüber einig, dass es momentan viel
zu früh ist und wir viel zu wenig über die Sicherheit wissen, um auch nur
irgendwelche Anläufe zu nehmen, die Keimzellen von Embryos zu manipulieren. Wir
brauchen eine ausführliche Diskussion, ob es überhaupt erlaubt sein sollte
solche Technologien zuzulassen>>, beteuert er[iv].
[ii] Albrecht J.
und Kastilan S.: Können wir es besser? Frankfurter Allgemeine, Gentechnik, 23.03.2015