Dr.
Edith Breburda
Ist die Biotechnologie soweit, Körperzellen zu Eizellen umzuwandeln, woraus
sich letztendlich lebensfähige Babys entwickeln? Eine derartige Methode würde
die biologische Uhr der Frau hinfällig machen. Sie wäre wie der Mann “zeitlebens“ fruchtbar.
Auf einer sehr populären Unfruchtbarkeits-Internetseite konnte man am 11.
August 2014 den folgenden anonymen Eintrag finden
„Ich bin 47 Jahre alt und lese die Webseite
der Pharmafirma OvaScience. Dort wird über neue Behandlungsmethoden berichtet,
die für In-Vitro-Fertilisationen benutzt werden können. Hat jemand darüber
näherer Informationen?”, fragt die Frau.
In den 14 Monaten, die seitdem vergangen sind kamen 3500 Antworten. Viele
von ihnen sind voll des Lobes über die Versprechungen von OvaScience. In einer
Zuschrift heißt es, eine Frau habe bereits 300.000 US Dollars für
Fruchtbarkeitsbehandlungen ausgegeben. Trotzdem will sie nochmals Geld
aufnehmen, um mit OvaScience schwanger
zu werden. Die Institution verspricht, primitive Zellen in Eizellen umwandeln
zu können.
“Ich wette bei meinem Leben, dass ich dank dieser Methode bald ein Baby
haben werde“, behauptet eine andere Frau, die ihre Renten-Ersparnisse bereits
in OvaScience steckte.
Wenn Kunden so viel Vertrauen in ein Biotechnologie-Unternehmen setzen und Spender
bereits 2011 und 2012 zweihundertvierzig Millionen US Dollars für Forschungsvorhaben aufgebracht haben, muss man
sich fragen, was diese Firma von andern In-Vitro-Kliniken unterscheidet?
OvaScience Forscher wollten es einfach nicht hinnehmen, dass die Zahl der
Eizellen, die einer Frau zur Verfügung stehen, bereits bei der Geburt
festgelegt ist. Sie wollten die Biologie der Frau verändern.
„Die Möglichkeit, mehr Eizellen herzustellen, kommt einer Revolution in der
Frauengesundheit gleich“, sagte der Reproduktionsbiologe Roger Gosden der New
York Times bereits 2004.
Anlass war ein Artikel von Jonathan Tilly, der am 12. März 2004 in der
Fachzeitschrift Science erschien. Dr. Tilly gründete OvaScience. Obwohl viele
Wissenschaftler überzeugt sind, dass es keine Stammzellen in den Eierstöcken
gibt, die noch nach der Geburt Eizellen produzieren, behauptet Tilly einen Weg
gefunden zu haben, genau solche Eizellen entwickeln zu können. Damals, 2004,
waren Mäuse die Versuchstiere. Die zuständige US-Behörde verlangte von
OvaScience mehr Daten zu sammeln, bevor eine derartige Therapie für Menschen zugelassen
wird.
Jonathan Tilly ist über
die vielen Zweifler an seinen Studien frustriert. Seine Kollegen erwähnen, dass
er bei Vorträgen oft schon vor der Diskussion den Saal verlässt, um lästigen
Fragen aus dem Weg zu gehen.
Am 29. Juli, 2005 berichtete Tilly, der damals noch an der Harvard
praktizierte, im Fachmagazin Science über seine Mäuse-Experimente. Er gewann
seine sogenannten Eizellstammzellen aus dem Knochenmark.
„Ich hatte damals Patientinnen, die mir erzählten, sie gehen in Boston in
das Mass General Krankenhaus, um sich Knochenmarkszellen entnehmen zu lassen,
aus denen dann Eizellen entstehen. Ich sagte zu ihnen, dass derartige Versuche
nicht replizierbar sind. Die Frauen antworteten mir jedoch, sie würden alles
tun, um ein Kind zu bekommen “, erinnert sich Dr. David Keefe, ein
Fruchtbarkeitsspezialist des Langone Medical Centers der New York Universität.
Ein Jahr später wurde Tilly’s Studie widerlegt (Science, 16 Juni 2006). Dann
fing Tilly an die angeblichen Eizellvorläuferzellen anstatt aus Knochenmark aus
Eierstöcken zu entnehmen.
OvaScience, hat seinen Hauptsitz in Waltham, Massachusetts, USA. Seit
neuestem bietet die Firma außerhalb der USA Frauen die neuartige AUGMENT
Therapie für 50.000 Dollars per Zyklus an. Wissenschaftler der Firma haben ein Elixier
hergestellt, das sie mit den Samenzellen vermischen und bei einer In-Vitro-Fertilisation
anwenden.
AUGMENT Methode von OvaScience |
Aus der Außenwand der Eierstöcke gewinnen die Forscher ein Gemisch
aus denen sie angebliche Vorläufer von Eizellen entwickeln. Daraus werden Mitochondrien
extrahiert, die mit den Spermienzellen bei der Befruchtung wieder eingebracht
werden. Ob es funktioniert, weiß keiner. Man arbeitet also letztendlich nur mit
Substanzen, die man aus den angeblichen Eistammzellen extrahiert. Eine
Stammzelle ist eine Zelle, aus der funktionstüchtige Zellen hervorgehen. Eine
Eistammzelle müsste demnach selbständige Eizellen bilden.
Und trotzdem behauptet Tilly, dass er Eistammzellen gefunden hat, die er in
Eizellen umwandeln kann. Skeptiker betonen hingegen, man könne erst von einer
Eizelle reden, wenn die Zelle einen haploiden Chromosomensatz hat und wenn eine
Befruchtung Nachkommen hervorbringt.
Ji Wu von der Shanghai Jiao Tong Universität in China schrieb 2009 in einem
Artikel in Nature Cell Biology von Zellen aus Eierstöcken von neugeborenen
Mäusen, die er in sterilisierte Mäuse transplantierte, die daraufhin trächtig
wurden. Tilly hat die Versuche von Ji Wu nachgemacht, es dauerte jedoch neun
Monate bis er endlich Erfolg hatte. „Diese lange Zeit gibt den Skeptikern
Recht, die längst vorher aufgeben“, sagt Tilly.
Evelyn Telfer von der Universität Edinburgh stellte fest: “Ich glaube es
gibt doch so etwas wie Eistammzellen.“
Wissenschaftler die versucht haben Wu zu kontaktieren hatten allerdings
keinen Erfolg. Er reagiert weder auf Anrufe, noch auf Emails.
Viele Forscher zweifeln an den Mäuse-Studien, die nicht nachvollziehbar
sind. Vier Forschungsteams konnten keine Eistammzellen finden, egal welche
Methode sie anwendeten. „In meinem Labor konnte ich sie nicht isolieren“, sagt
Prof. Kui Liu von der Universität von Gothenburg in Schweden.
Weder Dr. Kui Liu, noch Lin Liu Nankai von der Universität Tianjin in China, haben diese Zellen in Affen, Menschen und Mäusen
gefunden. „Vielleicht sehen die Zellen unter dem Mikroskop so ähnlich aus wie
Eizellen, und eventuell reagieren sie auf Hormone so wie Eizellen, aber sie
teilen sich nicht und sind nicht haploid, so wie alle Eizellen. Es handelt sich
um ein Wunschdenken“, sagen John Eppig und David Page, zwei Wissenschaftler von
Universitäten in Massachusetts-USA.
Tilly ist zugegebenermaßen erstaunt über seine Kollegen. „Jeder der
weiterhin die Existenz dieser Eistammzellen leugnet, obwohl sie so oft in der
Literatur beschrieben worden sind, ist entweder naiv oder hat irgendwelche
Hintergedanken, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben“, behauptet er.
Sein Kollege Hugh Clarke von der McGill Universität in Montreal, Kanada, ist
fassungslos- „Ich dachte die Debatte ist endgültig vorbei. Hingegen schenkt man
den Eistammzellen immer mehr Aufmerksamkeit. Ich kenne keinen einzigen Wissenschaftler
in der Grundlagenforschung, der allen ernstes an diese Zellen glaubt. Und
plötzlich ist da diese dubiose Firma OvaScience.“
Zian Rajani, ist das erste Baby, das im April 2015 in Toronto/Kanada durch
die Mithilfe der AUGMENT Behandlung von OvaScience auf die Welt kam.
Bilder des Babys mit seinen schwarzen Haaren und den geballten Fäustchen
gingen um die Welt. Seine
Mutter bekam einen Extrasatz Mitochondrien bei der Befruchtung injiziert.
Mitochondrien sind kleine Zellorganellen, die sich in jedem Zellplasma befinden
und als Energie-Lieferant der Zelle fungieren. Die Mitochondrien der Eizellen
von älteren Frauen sind nicht mehr so funktionstüchtig. Dr. Tilly sagt er wurde
durch ein Experiment der späten 90iger Jahre inspiriert. Wissenschaftler
entnahmen damals Zellplasma von jungen Frauen und spritzten es in Eizellen von
30 unfruchtbaren Frauen. Dreizehn der Probanden wurden daraufhin schwanger.
Jacques Cohen, von der Livingston Universität in New Jersey, der damals die
Versuche machte, beschreibt sie als Pilot Studie, die einigen Frauen verhalf
schwanger zu werden, aber ansonsten keine sicheren Erkenntnisse lieferte.
Tilly war dennoch beeindruckt. „Es hat immerhin bei 43% funktioniert“,
erklärt er.
Krankenhäuser in Kanada, der Türkei und den Arabischen Emiraten bieten seit
2011 die AUGMENT Methode an. Panama, Spanien, Japan und Groß Britannien werden
wohl bald folgen.
Seitdem sind angeblich 17 gesunde Babys mit Hilfe von AUGMENT geboren
worden. Sie hatten allerdings jüngere Mütter. „Ärzte haben eine höhere
Fruchtbarkeitsrate bei Frauen festgestellt“, sagte der Direktor von OvaScience
Michelle Dipp im September 2015. Neun von 34 Frauen werden fruchtbar, heißt es
in den einschlägigen Fachzeitschriften: Journal of Fertilization,
In-Vitro-IVF-Worldwide, Reproductive Medicine, Genetics & Stem Cell
Biology.
Prof. Keefe, der New Yorker Spezialist für Unfruchtbarkeit ist sehr verärgert.
Er war Mitglied der US Food and Drug
Administration, der Arzneimittelbehörde, die derartige Therapien auswertet
„Das was OvaScience tut, ist völlig fehlerhaft. Die Patientinnen haben 2-3
erfolglose Fruchtbarkeitstherapien hinter sich. Was OvaScience veranlasst dieses
als „Null-Fertilität“ zu bezeichnen. Dann werden sie behandelt und haben eine
20 prozentige Erfolgsquote. Wenn ich eine Münze werfe und wenn sie erst beim
dritten Mal auf den Kopf fällt, ist das nicht plötzlich 100 mal besser. Daten
haben gezeigt, dass die Fruchtbarkeitsrate bei 5 Zyklen 30% beträgt. Jeder
möchte gerne an den Hl. Nikolaus glauben. Man zahlt immerhin 50.000 US-Dollars
pro Zyklus. OvaScience kann ja weiterhin behaupten Eistammzellen gefunden zu
haben, nur glaubt das außer ihnen kein Mensch auf der Welt.“ Keefe fordert,
dass OvaScience keine Therapien mehr anbietet, solange die Grundlagenforschung
nicht stattgefunden hat.
OvaScience hat eine Niederlassung in Kanada. In den USA erwartet die FDA
von OvaScience reguläre klinische Studien, wie bei allen neuen Therapien. Dementsprechend
ist die Konversation zwischen OvaScinece und der FDA minimal. Da jedoch AUGMENT
in anderen Ländern angenommen wird, sieht sich OvaScience nicht unbedingt der
FDA gegenüber verpflichtet. „Der Endmarkt ist attraktiv“, sagt Zarak Khurshid von
der Firma WedBush Securities in San Francisco, der den Werdegang von OvaScience
verfolgt. „Da sind sehr motivierte
Kunden. Es ist ein barzahlendes Geschäft.“
AUGMENT ist erst der Anfang. Die Pharmaindustrie plant zwei weitere
Therapien: OvaPrime und OvaTure benutzen
Extrakte aus den sogenannten Vorläuferzellen der Eistammzellen. Die Therapie
mit OvaPrime, die zwei chirurgische Eingriffe erfordert, soll Ende 2015
angeboten werden. Im Grunde handelt es sich um die gleiche Therapie wie bei der
Methode von AUGMENT.
Hugh Taylor, der Forschungsgelder von OvaScience bekommt, ist der Meinung,
es wäre unethisch, eine erfolgsversprechende Behandlung nicht anzuwenden. Er
hofft AUGMENT wird bald auch in den USA angeboten. „Ärzte sollen die Wirkung selber
herausfinden. Grundlagenforschung ist nicht so wichtig in diesem Fall.“
Die Austragenden dieses Dramas sind die Patientinnen, die jede Behandlung
ertragen; jeden Preis zahlen; sonst wohin fahren, nur mit dem Ziel ein eigenes
Baby zu bekommen.
Literatur: Jennifer Couzin-Frankel, Feature: A controversial company
offers a new way to make a baby.
Science Magazine, Latest
News, 5. Nov. 2015
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